Angelika Schyma
Von Kirche bis Kiosk - Denkmal-Inventarisierung im Rheinland

...

Ganz konträr hierzu verfolgt Wolfgang Döring - nicht nur im Wohnungsbau -das Prinzip eines Arche- oder Prototyps, beliebig erweiterbar (wie das Gästehaus der Humboldt-Stiftung) und demontierbar, mit seinem vorgefertigten Holzfachwerkbau für den in Bonn lehrenden amerikanischen Atomphysiker Theo Mayer-Kuckuk in Bad Honnef von 1967. Ein außerhalb der Wände angeordnetes Tragskelett aus Ständern und Doppelzangenträgern bildet das Gerüst, das die gesamten Lasten aufnimmt.

Die Aussteifung erfolgt in Längsrichtung durch Kreuzbänder aus Stahl und in Querrichtung durch Dreiecksscheiben an den Kreuzungspunkten von Ständer und Träger. Durch die schwarz-weiße Farbgebung wird das Gerüst besonders betont und auch als Gestaltungsmittel hervorgehoben. Im Haus nimmt der Wohnraum die ganze Breite ein und ist zur Hälfte über beide Geschosse geöffnet, zum Eingang aber nur durch ein Oberlichtband im Erdgeschoss belichtet, welches beidseitig das ganze Gebäude umläuft. Das als Prototyp eines neuartigen Systembaus gedachte Haus blieb Unikat.

"Das Haus Meyer-Kuckuk ist sozusagen eine prototypische Realisation progressiver architektonischer Gedanken einer fortschrittlichen Zeit, ein hervorragendes architekturgeschichtliches Zeugnis der 60er Jahre ... es ist zugleich eine Fortführung der heimischen Fachwerktradition wie auch der Anfangspunkt einer völlig neuartigen Architekturkonzeption im Fachwerkbau", so Jörg Schulze in seinem Gutachten zum Denkmalwert von 1992.

Das Prinzip des sichtbar nach außen gelegten Tragwerks und die nach Innen gezogene Außenwandverplattung werden hier erstmals bei einem Wohnhaus eingesetzt. Das Haus ist ein Beispiel für konstruktive Experimente, wie sie für die Zeit typisch waren, und auch für die serielle Herstellung, die das Haus als vorgefertigte "Wohnmaschine" versteht. Die Ähnlichkeit mit Containerbauten lässt sich nicht verhehlen, zeigt jedoch hier durch die markante Gestaltung eine ästhetisch ansprechende Form.

Drei typische Arten aus den vielen Erscheinungsformen des Wohnungsbaus habe ich vorgestellt: den individuellen Bungalow, die gelungene Einbindung eines mehrgeschossigen Staffelbaus in eine gewachsene Umgebung und das provokante serielle Beispiel im konventionellen einfamilienhausviertel in Bad Honnef. Die Schwarz-Weiß-Kontraste von Haus Mayer-Kuckuk zeigen Verwandtschaft zur zeitgenössischen Kunst, Musik und Mode: geometrisierende Pop- und op-Art, Kompositionen in Modulen und Clustern der seriellen Musik. erinnert sei an den modischen Courège-Look mit seinen großflächigen geometrisierten Schwarz-weiß-Mustern und Stoffen, wandelnden Kunstwerken gleich. "Mechanisch", "industriell" sind die Schlagworte, mit denen die Forderung nach Unpersönlichkeit, Cluster oder Raster als allgemein verständliche Grundelemente einer Standardisierung auch in die Künste übergreift.


< vollständige Publikation (pdf) >