Konstruktion

Grundsätzliches

Nach allen Erwägungen, die immerhin von ersten Entwürfen 1965 bis zur Baugenehmigung 1967 reichten, war die Vision realisierbar und vor allem finanzierbar geworden. Es gelang ein modulares Prinzip zu entwickeln, das industriell zu fertigen war. Im Wesentlichen besteht das realisierte Konzept aus zwei Systemen:
dem Tragwerk aus vertikalen und horizontalen Leimbindern
und aus
seriell gefertigten Boden- und Wandelementen, in die die wesentlichsten Installationen bereits eingearbeitet waren.
Die ganze Konstruktion folgt einem Raster regelmäßiger Bemaßung, das ermöglicht eine weitgehende Normierung aller Bauelemente.

Das Fundament des Hauses besteht aus 16 in den Boden eingelassene Betonquader, in diese sind Stahlstifte mit Trägerplatten eingelassen, die die vertikalen Leimbinder aufnehmen. Der eigentliche Baukörper, d.h. die Ebene des Erdgeschosses beginnt erst auf der Oberkante der untersten horizontalen Träger in etwas über 90 cm. Darunter steht das Haus frei. Rechnet man die Summe der Querschnitte der Stahlstifte zusammen, auf denen das Haus sich stützt, dann erhält man eine Fläche eines Ziegels von etwa 20 x 10 cm. Eine entsprechende Form wurde übrigens negativ in die Betonform des Kamins eingelassen, als sichtbaren Hinweis auf die Grundfesten der Baukonstruktion. 1)

Neben den Fundamenten sind der von den Auftraggebern gewünschte Kamin und die Ummauerung des Innenhofes die einzigen vor Ort konventionell erstellten Gewerke. Dies nahmen mit etwa sechs Wochen auch den längsten Teil der Bauzeit in Anspruch. Wolfgang Döring: "Während des Baus standen da 32 Betonklötze (es sind 16, H.W.) herum und ein einsames Betonrohr - das war der Kamin. Da kamen die Leute und fragten, was hier wohl gebaut würde. Der Bauführer machte sich einen Spaß und sagte, hier würde einAtommeiler gebaut. Und schon gab es Proteste. Bad darauf aber kam dann die Baufirma und hat das Haus in einigen Tagen hingestellt." 2)

Das Tragwerk

Das Besondere an der Hauskonstruktion ist, daß die statischen Bauelemente sich außerhalb des Baukörpers befinden. Dieser Grundgedanke greift zurück auf Dörings Entwürfe der Wohntürme aus dem Jahr 1964 3), der Vorteil einer solchen Konstruktion wurde darin gesehen, daß die getragenen Raumkörper variabel und austauschbar werden. Die Statik ist das Gerüst für den Wohn- und Lebensraum, das ist das grundlegende Prinzip für das Haus Böckingstraße.

Das Tragwerk besteht aus 2 x 8 vertikalen Leimbindern im Maß 30 x 17 cm, jeweils in einem Abstand von 252 cm. Die Horizontalen der Konstruktion Boden, Etage und Dach werden getragen durch doppelte Träger aus Leimbindern im Maß von 30 x 12 cm, die die vertikalen Ständer zangenmäßig greifen.



Die seitliche Versteifung des Gerüstes erfolgt durch Trapeze aus wetterfesten Tischlerplatten, die die Vertikalen mit den Horizontalen knotenförmig verbinden. In der Längsrichtung wird die Konstruktion gehalten durch kreuzweise Stahlverdrahtungen zwischen den ersten und letzten Ständern in beiden Etagen, unterstützt durch mittige horizontalen Abstützungen der stirnseitigen Außenwänden und den ersten horizontalen Balkenlagen.

Die Sockel

Die vertikalen Stützen fußen in rechteckigen Schalen, ca. 10 cm hoch und in der Fläche ca. 34 x 21 cm. Die Schalen werden getragen von massiven Stahlstiften mit einem Durchmesser von 50 mm auf einer Bodenplatte mit einem Durchmesser von 30 cm. Diese Fußkonstruktion wurde in die Fundamente eingegossen. Vor dem Einsetzen der Ständer in die Trägerschalen wurden diese zur Bindung mit flüssigem Bitumen gefüllt.




Die Knoten

Die Verbindung der horizontalen und vertikalen Leimbinder erfolgt durch wetterfeste trapezförmige Tischlerplatten, die zwischen die Träger eingebunden sind. Die Befestigung erfolgt ausschließlich durch Nägel, eingeschlagen nach einem festgelegten Raster. Döring: "Und das hält!" 4)



Durch die Trapeze werden die Winkel zwischen Stützen und Tragebalken gegen den Winddruck ausgesteift.

Die Drahtkreuze

Die Standfestigkeit der Längsrichtung wird erreicht durch kreuzförmige Verspannungen zwischen den vier äußeren Gliederungen, jeweils am Unter- und Obergeschoß.


Die Verschraubung wird durch die Tragebalken geführt, an den Kreuzungspunkten werden die 20 mm starken Stahlstangen auf Spannung geschraubt.



Decken und Wände

In das Tragwerk wurden die Decken eingefügt.

Die Böden und Decken bestehen aus vorgefertigten Elementen, die u.a. innen mit Dämmaterial gefüllt waren.

Die Bodenelemente wurden "auf der Unterseite mit Eternit verschalt, das war am billigsten. Dieselben Platten Fertigteilplatten sind oben noch einmal als Dach daraufgekommen." (5) Die Unterseiten der Dachelemente waren mit Ripsplatten belegt.


Die Dachelemente wurden nach der Verlegung mit Teerpappe abgedichtet, auf eine Kiesbelegung wurde verzichtet.


Die Seitenwände waren gleichfalls vorgefertigt, inklusive Dämmung, Installationen und Fenster. Die Innenseiten waren aus Span-, an den Außenseiten aus Eternitplatten, die Fugen zwischen ihnen wurden durch einen Abstand von ca. 2 cm sichtbar gemacht. "Die Holzwände waren vorfabrizierte Paneele, die gleich eingesetzt werden konnten. Das war damals im Einfamilienhausbau keineswegs üblich." (5)


Die Paneele waren auf die Zwischenmaße der Tragebalken bezogen, dadurch war es möglich, sie einheitlich zu normieren. Die Balkenschicht in Höhe von 30 cm gab Platz für "Lichtschlitze", langgestreckte schmale Fenster.



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Weitere Details und Kapitel folgen!
Anmerkungen
1) Und sicherlich ist in dieser Symbolisierung auch ein kleiner Spott gegen den konventionellen Steinbau versteckt: Ich brauche nur die Fläche eines einzigen Steines!
2) Heinrich Klotz: Architektur in der Bundesrepublik
Ullstein Verlag, Frankfurt-Berlin-Wien 1977
S. 75

3)
Wohntürme, Modell von 1964
aus:
Wolfgang Döring Architekt, Vorwort Karl Ruhrberg

Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 1989
S.18, Foto von Bernd und Hilla Becher
4) Heinrich Klotz: Architektur in der Bundesrepublik
a.a.O., S. 73

5) s.o., S. 75